Zum Hauptinhalt springen

C15: Vom Pferd zum Automobil

Das Automobil besteht bis heute meist aus zwei Teilen, dem Chassis (Plattform) mit dem Motor und der darauf gesetzten Karosserie. Dieses Buch rollt die Geschichte des zweiten Teils auf, gleicht ihn mit der technologischen Entwicklung ab und all das vor dem Hintergrund der Vorgeschichte, des Pferdewagens. So wird der epochale Wandel vom Pferd zum Automobil aus einer "unteren" Perspektive nachvollziehbar gemacht. Dazu gehört auch der gesellschaftliche Kontext: Im industrialisierten Europa des 19. Jahrhunderts wachsen die Städteund es wird schneller gefahren.

Andres Furger: Vom Pferd zum Automobil

Die Kutschenbauer Europas befinden sich in der Zeit des späten 19. Jahrhunderts auf ihrem Höhepunkt, gelten um 1900 aber auch als erfolgsverwöhnt. Plötzlich sind sie mit einer neuen Situation konfrontiert: Sie müssen auch den neuen Automobilen Kästen aufsetzen. Die strukturellen und mentalen Unterschiede zu ihren neuen Partnern, den Chassis- und Motorenherstellern, sind gross. Hier die forschen, technikbegeisterten Ingenieure und Unternehmer mit ihren Grossbetrieben, dort die noblen Gestalter und Hersteller von massgeschneiderten Aufbauten. Dementsprechend sehen die frühen Automobile lange wie halbe Kutschen aus.

Allmählich werden die Automobile stärker, leichter und schneller. Nach dem Abflauen der ersten Innovationswelle der Konstrukteure wachen die Karossiers um 1910 auf und bringen neue Karosserie-Formen auf den Markt.

Derweil sind die Pferde in der Stadt an ihre Grenzen gekommen. Einen weiteren Schub weg vom Pferd bringt der Erste Weltkrieg. In den 1920er Jahren werden die exklusiven Kreationen der Karossiers zu fahrenden Skulpturen, die an «Concours d’Elégances» Furore machen. Form und Funktion wachsen zusammen, das Automobil erreicht in den 1920er Jahren seinen ersten Höhepunkt.

Wie bei den Equipagen 30 Jahre zuvor liegen aber wieder Höhepunkt und Fall nahe beisammen. Die Weltwirtschaftskrise von 1929/30 bricht vielen eigenständigen Karosseriebetrieben das Genick. Die Qualität ihrer Arbeit aber bleibt der Massstab und wird von den grossen Marken weitergeführt, die jetzt unter einem Dach ganze Autos bauen.

Anfängliches Zögern gegenüber einer unterschätzten Innovation, langsames auf den Zug aufspringen, dann erfolgreiches Mitziehen? Einen solchen Prozess im Sinne der disruptiven Technologie mit den entsprechenden Begleitphänomenen erleben wir heute wieder beim Wandel zur Elektromobilität.

Buchvorstellung «Vom Pferd zum Automobil»

Interview mit Andres Furger