A2: Neue Unterteilung der Spätlatènezeit
Der keltische Münsterhügel und die altbekannte Flachsiedlung unter dem Novartis-Campus als Leithorizonte (Spätlatènezeit = Späte Eisenzeit oder La Tène D, 1. Jahrhundert v. Chr.)
Die Auswertung der Grabungen am Murus Gallicus von 1971 wurde zum Thema der dreimonatigen Licentiatsarbeit von Andres Furger im Jahre 1973. Die zentrale Frage war das zeitliche Verhältnis der neuen Funde zu denen aus der altbekannten Siedlung "Basel-Gasfabrik" (heute Novartis-Campus), die damals pauschal in die Zeit vor der römischen Okkupation datiert wurde (15 v. Chr.).
Die systematische Analyse der keramischen Funde aus den untersten Schichten des Münsterhügels ergab bei verschiedenen Gattungen Unterschiede zum Bestand von Basel-Gasfabrik. Dabei analysierte Furger auch die Münzen aus den beiden Basler Keltensiedlungen, wenn sich auch die Numismatiker als eigene Gilde verstanden. Erste Auswertungen ergaben eine spätere Zeitstellung der neuen Funde gegenüber Basel-Gasfabrik, die demnach Jahrzehnte vor die römische Okkupation zurückgeschoben werden musste. Furger schlug für den Wechsel von der einen zur anderen Basler Keltensiedlung die Zeit des gallischen Kriegs vor (58-52 v. Chr.).
In der Flachsiedlung wie auf dem Münsterhügel dominierten gegossene Münzen aus «Potin» (Bronzelegierung) das Münzspektrum, allerdings mit verschiedenen Münzbildern. Diese wurden typologisch aufgegliedert und zum Teil ins frühe 1. Jahrhundert datiert. Potinmünzen wurden aber damals von der dominierenden französischen Forschung als nach der den casarischen Feldzügen in Gallien ausgegebenes «Notgeld» verstanden. Diese Diskepanz führte zu Diskussionen (dazu auch A0 "Archäologie – Geschichte – Museen" S. 18).
Der genaue Abgleich der keramischen Funde zeigte zudem, dass in den untersten Schichten auf dem Münsterhügel Keramikformen auftraten, wie sie in der Flachsiedlung der mittleren und späten Latènezeit (Eisenzeit) nicht auftraten, vor allem so genannte Dolien, eine Art Vorratsgefässe. Furger kam also zum Schluss, dass der Münsterhügel nach dem Ende der Flachsiedlung zur dominierenden Keltensiedlung am Basler Rheinknie wurde.
Damit lag in Basel die seltene Konstellation vor, dass eine Siedlung die andere ohne Überlappung ablöste. Demzufolge wurden "Basel-Gasfabrik" und "Basel-Münsterhügel" zu neuen Leithorizonten einer älteren und einer jüngeren Stufe La Tène D.
Furgers Vorschlag, den Wechsel in die Zeit um 58 v. Chr. zu setzen, wird heute anders gesehen. Seit der Beginn der mittleren Latènezeit (La Tène C) international früher angesetzt wird, verschieben sich die Laufzeiten der Basler Siedlungen um rund 30 Jahre nach hinten. Der Wechsel zum Münsterhügel wird heute schon für die Zeit um 80 v. Chr. angenommen. Wieder sucht man nach historischen Korrelationen und bringt heute die literarisch überlieferte Konfliktsituation nach der Zuwanderung von Germanen (Ariovist) ins Oberrheingebiet mit ins Spiel.